ESG-Themen finden zunehmend Platz auf den Tagesordnungen von Hauptversammlungen, wo Aktionäre direkt Druck auf Unternehmen ausüben können. Im Frühjahr haben vier große australische Unternehmen angekündigt, dass sie ihre Klimastrategiepläne auf der nächsten HV erstmals vorlegen wollen. Was bedeutet der Trend für Unternehmen hierzulande?
Aktivistische Aktionäre preschen voran
Die drei Mineralölkonzerne Oil Search, Santos, Woodside Energy und der Bergbauriese Rio Tinto haben einen großen Schritt gewagt: Sie sind die ersten Unternehmen weltweit, die auf der Hauptversammlung über ihre Klimastrategie abstimmen lassen. Die Ergebnisse der Abstimmungen der vier Unternehmen, die dem australischen Index ASX50 zugehören, sind zunächst zwar nicht bindend. Jedoch verdeutlicht dieses Beispiel, dass immer mehr Unternehmen die Dringlichkeit und Bedeutung von Umweltthemen erkennen und zur Abstimmung stellen wollen – ein mutiger Schritt. Oder ein genialer PR-Schachzug?
Jedenfalls kommen die vier ASX-Unternehmen damit der globalen Investorenkoalition „Climate Action 100+“ zuvor – die dort vertretenen Investoren wollen die 167 emissionsstärksten Unternehmen weltweit durch gezielte Aufrufe und Entscheidungen dazu bewegen, Maßnahmen einzuleiten, um ihre Emissionen bis 2050 auf Netto null zu senken. Das bedeutet, dass Unternehmen die eigenen Emissionen ausgleichen müssen, indem sie der Atmosphäre eine genauso große Menge an Emissionen wieder entziehen. Viele Aktivisten und Investoren, darunter auch Blackrock, fordern bereits stärkere Offenlegungen im ESG-Bereich. Dafür entwickelte sich der Begriff „Say on Climate“.
Große Konzerne knicken ein
Eine ähnliche Aktion hatte bereits bei Shell für ein Umdenken gesorgt. Die niederländische Gruppe „Follow This“ kaufte genügend Aktien des niederländischen Öl- und Gasunternehmens, um 2017 eine Resolution bei der Hauptversammlung einbringen zu können. Anlass der Resolution: Das Unternehmen sollte die Scope-3-Treibhausemissionen in die Gesamtrechnung und in die Unternehmensziele mitaufnehmen. Das sind Emissionen, die durch die vor- und nachgelagerte Lieferkette verursacht werden. Bis dahin zählte Shell nur die Scope-1- (direkte Emissionen) und Scope-2-Emissionen (indirekte Emissionen durch Strom und Wärme von außerhalb) zum eigenen ökologischen Fußabdruck.
Follow This hatte Erfolg: Während der Shell-Vorstand den Aktionären riet, die Resolution nicht zu unterstützen und sie als „unangemessen“ abtat, stimmten sechs Prozent des anwesenden Kapitals dafür und weitere sieben Prozent enthielten sich – darunter eine Reihe führender niederländischer Investoren. Für Shell war das eine Blamage, denn normal sind Abstimmungsergebnisse auf der Linie des Unternehmens von 99% Prozent. Wenig später nahm Shell die Scope-3-Emissionen in die eigenen Ziele auf. Ähnliche Aktionen führt Follow This auch bei den Öl- und Gaskonzernen Equinor und BP durch.
Stimmrechtsberater setzen auf ESG
ESG-Themen sind bei Hauptversammlungen nicht gänzlich neu. Insbesondere Governance-Themen wie die Angemessenheit und Transparenz der Vorstandvergütung oder eine diverse, kompetente Besetzung des Aufsichtsrats sorgen bei Investoren und Aktionären schon seit Jahrzehnten für Diskussionsstoff. Zunehmend spielen aber auch Umwelt- und Sozialaspekte eine Rolle. Viele Investoren haben konkrete Vorstellungen darüber, welche Geschäftspraktiken sie unterstützen oder nicht.
Eine wichtige Rolle spielen hierbei auch Stimmrechtsberater: Da Asset Manager, die das Vermögen von Asset Ownern verwalten, nicht die Zeit oder die Ressourcen haben, alle Unternehmen und deren Tagesordnungspunkte auf der HV zu analysieren, beauftragen sie Stimmrechtsberater, ihnen Abstimmungsempfehlungen zu geben. Diese orientieren sich an Kriterien, die die Asset Manager vordefinieren – darunter auch mehr und mehr ESG-Kriterien. Stimmrechtsberater werfen also einen genauen Blick auf die ESG-Performance eines Unternehmens. Eine schlechte ESG-Leistung kann schon jetzt negative Auswirkungen auf das Abstimmungsergebnis und damit für das Unternehmensmanagement haben. Es kann also nicht nur aus PR-Gründen sinnvoll sein, bereits heute Eigeninitiative zu zeigen und die eigene ESG-Strategie oder zumindest Teile davon absegnen zu lassen, um nicht auf einer späteren Hauptversammlung unvorbereitet ein blaues Wunder zu erleben…
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