Akteure, die im Bereich der Small- und Mid-Caps tätig sind, sind im Vergleich zu ihren Blue-Chip-Kollegen benachteiligt: Das liegt an den erhöhten regulatorischen Anforderungen an die ESG-Berichterstattung. Während größere Unternehmen im Rahmen der bestehenden EU-Verordnung bereits verpflichtet sind, über verschiedene ESG-Kennzahlen zu berichten, bleiben kleinere Unternehmen bislang außen vor. Dadurch fehlen Vermögensverwaltern mit kleineren Portfoliounternehmen ESG-Daten, die sie benötigen, damit sie ihre Finanzprodukte als nachhaltig einstufen lassen können.
Wiesbaden, 04. Februar 2021 Am 10. März 2021 trat die Verordnung über die Offenlegung von Informationen zu nachhaltigen Finanzprodukten (Sustainable Finance Disclosure Regulation – SFDR) in Kraft, mit der neue Regeln für die Einbeziehung und Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren durch Investmentmanager eingeführt wurden. Der Anwendungsbereich der Verordnung, die sich an Finanzmarktteilnehmer (FMPs) richtet, umfasst in erster Linie Vermögensverwalter, Fonds und Fondsmakler. Mit dem Ziel, nachhaltige Investitionen zu fördern, verlangt die Verordnung von den FMPs eine numerische Berichterstattung über die Nachhaltigkeitsleistung der Unternehmen, mit denen sie zusammenarbeiten, deren Aktien also in den von dem FMPs verwalteten Investmentfonds enthalten sind. Letztlich werden die Fonds mit einem Ampelsystem als „grau“, „hellgrün“ oder „dunkelgrün“ eingestuft, wobei sie immer strengere Berichtsvorgaben erfüllen müssen, um als „grün“ eingestuft zu werden. FMPs, die mit Blue-Chip-Unternehmen zusammenarbeiten, werden eher in der Lage sein, die wertvollen ESG-Daten zu sammeln, da diese Unternehmen bereits im Rahmen der Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung („NFRD„) verpflichtet sind, nichtfinanzielle Informationen offenzulegen. Small- und Mid-Caps liefern diese Informationen in der Regel noch nicht, sodass sich für FMPs in diesem Bereich die Frage stellt, wie sie diese Daten generieren beziehungsweise beziehen können, um ihre Investitionsentscheidungen zu treffen und ihre Finanzprodukte klassifizieren zu können.
Die gute Nachricht für FMPs, die mit kleineren Unternehmen zusammenarbeiten, ist, dass der Geltungsbereich der Vorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren in Zukunft wahrscheinlich auf kleine und mittlere Unternehmen erweitert wird. So soll die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) einen Nachhaltigkeitsberichtsstandard erarbeiten, der noch am 31. Oktober dieses Jahres im Europäischen Parlament verabschiedet werden soll. Dieser Standard wiederum ist in der ebenfalls noch in diesem Jahr geplanten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) angelegt, die eine Nachfolgeregelung der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) darstellt. Über die CSRD sollen nicht nur wie bisher, börsennotierte Unternehmen, Banken, Versicherungsgesellschaften und Unternehmen, die als „Unternehmen von öffentlichem Interesse“ bezeichnet werden und mehr als 500 Mitarbeiter haben, über Nachhaltigkeitsinformationen berichten. Die CSRD würde diese Berichtspflicht auf alle Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern, mehr als 40 Millionen Euro Umsatz oder einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro sowie auf alle kapitalmarktorientierten Unternehmen ausweiten. Zudem soll im Rahmen der CSRD ein digitales „Tagging“-System zur Speicherung der gesamten ESG-Berichterstattung an einem einzigen Zugangspunkt (European Single Electronic Format, „ESEF“) eingeführt werden.
Sollte die CSRD wie geplant bis Oktober 2022 verabschiedet werden, könnte sie einige der Herausforderungen bei der Datenerfassung für FMPs, die heute mit Small- und Mid-Caps arbeiten, künftig verringern. Denn die Verordnung soll wesentlich schneller als seinerzeit die NFRD in nationales Recht umgesetzt werden und bereits für das Berichtsjahr 2023, also die Geschäftsberichte ab 2024, in Kraft treten. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) ist eine Übergangsphase von drei Jahren vorgesehen, sodass diese erst in ihren Berichten ab 2026 an den neuen EFRAG-Standard gebunden wären. Bis dahin bleibt das Problem bestehen, dass die FMPs mit regulatorischen Offenlegungsanforderungen konfrontiert sind, die über ihre eigenen CSR- und die EU-Taxonomie-Berichtsanforderungen hinausgehen können.
Auch wenn die Anforderungen an die Datenerfassung in Zukunft konvergieren könnten, sind sowohl FMPs als auch Unternehmen dazu angehalten, ihre Datenerfassungs- und -verarbeitungsabläufe eher früher als später in Angriff zu nehmen. Da die FMPs ihre SFDR-Berichterstattung an Drittanbieter auslagern, um Objektivität zu gewährleisten, verlassen sie sich darauf, dass die Drittanbieter in der Lage sind, genaue und kohärente Daten zu sammeln. Um die im Februar 2021 veröffentlichten technischen Regulierungsstandards zu erfüllen, müssen die FMPs jedoch möglicherweise zwei bis drei Datenanbieter, also Nachhaltigkeits-Ratingagenturen, heranziehen, die den FMPs die nach der SFDR geforderten Daten, darunter die sogenannten PAIs (Principle Adverse Impacts), zur Verfügung stellen. Hierbei handelt es sich um 18 verpflichtende Leistungskennzahlen aus den Bereichen Umwelt und Soziales, über die FMPs spätestens ab 2023 Angaben machen müssen, etwa wenn sie Produkte als nachhaltig bewerben. Die Datenanbieter stellen derzeit allerdings nicht für alle erforderlichen Datenfelder Informationen zur Verfügung.
Der Carbon Footprint Indicator, einer der PAIs, erfordert beispielsweise Eingaben für die Marktkapitalisierung, Betriebsdaten und Carbon Footprint-Daten für jeden Betrieb. Nicht jeder Marktdatenanbieter meldet Daten, die granular und kohärent genug sind, damit die FMPs sie erfüllen können. Natürlich verbessert sich die Datenverfügbarkeit für Blue-Chip-Unternehmen, die bereits vor den strengeren NFRD-Anforderungen ähnliche ESG-Daten melden.
Neben der zusätzlichen Komplexität bei der Datenerfassung aus mehreren Quellen verlangt die SFDR von den FMPs eine genaue Darstellung ihrer Datenerfassungsprozesse. Neben der Klärung und Erläuterung, welche Anbieter eingesetzt wurden und warum, müssen auch die verschiedenen möglichen Definitionen für Feldnamen erklärt werden. Auch beim Wechsel zwischen Datenanbietern ist eine Begründung erforderlich. Zusätzliche logistische Komplexität ergibt sich auch aus der Anforderung, in mehreren Sprachen zu berichten.
Das Herzstück einer effektiven Berichterstattung im Rahmen der SFDR ist ein flexibles Datenmodell, das aus mehreren Quellen gespeist wird. Ein Modell, bei dem die Eingaben leicht nachvollziehbar sind und die Berechnungen der Kennzahlen dynamisch sind. In der Praxis bedeutet die Einhaltung der SFDR für die Verantwortlichen in den FMPs jedoch eine doppelte Aufgabe: die interne Vorbereitung des Managements auf die Einrichtung von Prozessen und Systemen zur möglichst effizienten Einspeisung von Daten sowie die Verwaltung der externen Beziehungen zu Anbietern und Unternehmen. Auch für Unternehmen, die derzeit nicht in den Anwendungsbereich der NFRD fallen (d. h. kleine und mittlere Unternehmen), besteht ein Anreiz, mit ihrer ESG-Berichterstattung proaktiv zu sein und über die derzeitigen gesetzlichen Anforderungen hinauszugehen: Sie können die Möglichkeiten nutzen, zu angemessenen Kosten Zugang zu Kapital zu erhalten und Investitionen von den ständig wachsenden Märkten für nachhaltige Finanzen anzuziehen.
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Michael Diegelmann: Gründer und Vorstand
Michael Diegelmann hat über 50 Unternehmen an die Börse gebracht und Erfahrungen in über 250 Investor Relations und ESG-Projekten gesammelt. Er ist seit 1997 im Bereich Kapitalmarktkommunikation tätig und ein ausgewiesener Experte in ESG-Themen.